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martes, 23 de julio de 2019

Werner Krügers Besuch in msbb


Der Kunstkritiker Werner Krüger erzählt in seinem hier abgedruckten Essay lebhaft von seinem Besuch im Museum Sa Bassa Blanca im Juni. Er ist seit vielen Jahren mit Yannick und Ben Jakober befreundet und hat der Stiftung einen Teil seiner persönlichen Sammlung überlassen, darunter fotografische Porträts berühmter Persönlichkeiten, die im Museum ausgestellt sind.
Werner Krügers Fotogalerie im Museum Sa Bassa Blanca

Der Garten der Freude
Nachdem wir die gitterne Pforte passiert haben, beginnt eine abwechslungsreiche Zufahrt, die sodann beim anschließenden Rundgang ein Füllhorn berührender Eindrücke noch um ein Mehrfaches übertrifft. Den Weg säumen getrimmte Hecken und Sträucher, die Pinien sind von dürrem Geäst befreit, der Boden aus Vorbeugung gegen Brandgefahr von Gestrüpp gesäubert. Unübersehbar die Hege und Pflege durch Gärtnerhand und die darüber obwaltende Sorgfalt und Gestaltungsgabe von Stifterin und Stifter, von Yannick und Ben.

Mein letzter Besuch liegt lange zurück. Umso gespannter sind wir, Edmund und ich, was uns erwartet, zumal Ben eine Reihe von Neuzugängen angekündigt hat, was nicht verwundert, weil dieses Projekt auf ständiger Veränderung und Erweiterung beruht. Ben empfängt uns gut gelaunt und unternehmungslustig, eben so wie wir ihn seit fast 30 Jahren kennen. Er führt uns zunächst zum Herzstück der Stiftung, zu Yannicks weltweit einmaliger Kollektion von Kinder- und Jugendportraits aus europäischen Herrscherhäusern, fünf Jahrhunderte Malereigeschichte, niedergelegt an einem vermeintlichen Randthema, aber bei vertieftem Hinschauen erschließen sich die Exponate als Inkunabeln aus Meisterhand, ausgeführt von Ziselierern ihres Metiers. Der royale Nachwuchs posiert im Habitus von Erwachsenen, wirkt zuweilen etwas frühreif und allzu ernst, so als würde die auf ihn zukommende Bürde künftiger Verantwortung und Machtausübung schon jetzt belasten.
Ausstellung "Nins" im Museum Sa Bassa Blanca
Die Bilder heben sich ab von einem in tiefsten Weinrot getünchten Wandfond, feinst austarierte Ausleuchtung unterstreicht ihre Schönheit. Yannick ist hier ein Geniestreich gelungen. Frühzeitig, als der Markt sie noch zum günstigen Preis freigab, hat sie sich diesem Genre mit Passion gewidmet, trug etwa eineinhalb Hundert Stücke zusammen, zeigt davon wechselweise ein Konvolut aus 50 Arbeiten, so dass in gewissen zeitlichen Abständen beim wiederholten Besuch Überraschungen angenehmster Art bevorstehen.

Der Bequemlichkeit halber benutzen wir im folgenden ein Golfcart, das Ben eigenhändig über den Parcours lenkt. Wir kommen uns vor wie auf einer Safari: Zu Beginn ein bronzener Elefant des bekannten britischen Skulpteurs Barry Flanagan, hinzugekommen in jüngster Zeit. Entlang des Wegs verharren inmitten von Baum und Strauch, in Stein gemeißelte Figuren aus der afrikanischen Fauna. Frisch erworben ein lebensgroßes Nashorn aus dunklem Granit, dort die Simulation eines aufgeschreckten Steinbocks, dann wiederum ein Sprung rehverwandter Geschöpfe mit markanten Lauschern. Mir geht Friedrich Schillers Zeile durch den Kopf, „der Mensch ist nur da Mensch, wo er spielt“ – spielen mit Ideen, mit Vorstellungen, mit Phantasien, mit Bildern, dies im Bewusstsein und Genuss unbeschränkter Freiheit. 
Lebensecht wirkendes Nashorn aus Granit im Skulpturenpark Sa Bassa Blanca
Ja, Yannick und Ben lassen in spürbarer kindlicher Unbekümmertheit, mit Vergnügen, Fröhlichkeit und Ausgelassenheit ihrer Kreativität freien Lauf, um ihren Garten der Freude zu beleben, auszustatten und zu bestellen. Sie haben selbst ihre größte Freude daran und möchten sie mit anderen teilen. So empfinde ich meine Begegnung mit dem Gesamtkunstwerk, das Natur und Menschenwerk zwanglos miteinander verbindet, das unter vergleichbaren Gründungen in Europa und Übersee durch Unaufdringlichkeit und Leichtigkeit seines Seins hervorsticht. Der Faden von den Kinderportraits drinnen wird zu den Außenobjekten folgegerecht weitergesponnen. Der Besucher bewegt sich heiteren Gemüts durch die Anlage.
Fast unvermittelt, dann aber doch ein Pfahl im Fleische, in Gestalt eines afrikanischen Kralsbaus, im weitesten Sinne auch eines apulischen Trullis aus aufgeschichtetem Felsgestein. Der Rundbau ist durch eine schlitzartige Öffnung begehbar, gewährt einen Blick auf ein Inneres von bunter Vielfalt. Die dekorative Wandbespannung mit dem programmatischen Titel „Shrine“ besteht aus zusammengelesenem Kunststoffmüll, aufgesammelt von der fünfköpfigen marokkanischen Künstlergruppe Z’Bel Manifesto, geklebt und montiert zu einer monströsen Kollage, in deren Zentrum auf Augenhöhe ein Spiegel platziert ist. Mit Bedacht: Jeden, der hineinschaut, der sich hier umschaut, müssen Scham und Schande erschüttern, da wir es sind, die diese, unsere Verpackungsabfälle, farbenfrohe polyethylene Gebrauchs- und Verbrauchsplastik bedenkenlos und fernab - in Afrika oder, noch abwegiger auf den Phillippinen - verklappen.
The Shrine: Installation der marokkanischen Künstlergruppe Z’Bel Manifesto
In unmittelbarer Nähe zum „Ermahnungsmal“ der „wish tree of hope“, ein Geschenk Yoko Onos an die Stiftung, bestückt mit lauter Papierröllchen, in denen sich persönliche Botschaften verbergen. Ein sympathischer Geheimnisträger für individuelle Wünsche, Hoffnungen, Illusionen.
Ben steuert im Kreisrund angeordnete übermannshohe Monolithen an, eindeutig eine Bezugnahme auf Englands Stonehenge im strahlenden Lichte Mallorcas, erdacht von den beiden Konzeptkünstlern Yannick Vu und Ben Jakober, deren referentielle Kunstwerke im gesamten Gelände platziert sind, um mit den übrigen Objekten zu korrespondieren. Darunter etwa ein aufgerichteter gigantischer steinerner Oktopus, ein kompaktes Riesenei oder die Formation von Keramikkrügen, verstanden als „Tribut to Majorell“, womit eine Brücke zu Jacques Majorells Garten im marokkanischen Marrakesch geschlagen wird. Die schlanken langhalsigen Behälter, eingefärbt nach Majorells Palette in Gelb, Rot und Blau, bevölkern das Flachdach einer weiträumigen „Katakombe“, zu der eine Treppe in Eisensteinschen Ausmaßen hinabführt.
Keramikkrüge in den Farben von Jacques Majorell vor mallorquinischer Bergkulisse
Wir betreten die Halle „Sokrates“, benannt nach dem griechischen Philosophen, dessen Namenszüge an der Giebelwand den Bau firmieren. Aus Gründen des Natur- und Landschaftsschutzes sind sowohl das Museum für die Kinderportraits als auch „Sokrates“ diskret tief in die Erde versenkt worden. Wertvolle Kunst domiziliert unterirdisch. In der „Sokrates“-Halle wird der Bogen von der Paläontologie bis in die Gegenwart gespannt, vom urzeitlichen Dino-Gerippe, über afrikanische Masken, ein aus Farnwurzeln modelliertes Totem, sodann peruanische Keramik in schlanken Vitrinen bis hin zu Leinwänden von Miquel Barcelo oder Gerhard Merz, wiederum eingefügt Skulpturen von Yannick und Ben. Gleichsam wie seinen persönlichen Geheimtipp eröffnet uns Ben eine früh datierte azurblaue Installation des amerikanischen Lichtkünstlers James Turrell, eingerichtet in einem verdunkelten separaten Kubus.
Unterirdische Sokrates-Halle mit zeitgenössischer internationaler Kunst
All dem liegt generell zugrunde: Die Disposition, Struktur und Zusammenstellung des Sammlungskonvoluts nicht dem Zufall zu überlassen, sondern, gezielt paraphrasierend Bezüge zum sokratischen Ideen- und Gedankenkosmos anzubieten. Jedenfalls so verstehe ich die symbolträchtige Namenswahl für die Halle samt ihrer Schaustücke. Die Stille und Abgeschiedenheit der Örtlichkeit beflügeln geradezu, dem entspannt, ja meditativ nachzuspüren.

Zurück zum Haus durchqueren wir zu Fuß Yannicks Gewürz-, Gemüse- und Rosengärten – Gartenkultur par excellence. Ordnung, Plan, Konzept sind nicht zu übersehen, also kurzum: es handelt sich um Land-art mit Nutzeffekt. Ich stelle mir vor, selbst wenn dies pathetisch klingen mag, wie schmerzhaft es für Yannick sein muss, nach üppig gediehenem Wachstum das Gemüse bei Reife abzuernten, immerhin besitzt jede Züchtung, verfügen jede Pflanzung und jeder Lattentrog der Hochbeete über Schönheit und Gestalt eines trompe-l´oeil-Gemäldes, denen man langes Überdauern wünschen möchte. Für die Blütenpracht ihres legendären Rosengartens kommen wir zu spät, die Saison ist vorüber.
Der von Yannick Vu angelegte mittelalterliche Garten mit Gemüse, Kräutern, Blumen
Im Haus, dessen Äußeres und Inneres mich immer wieder aufs Neue in die märchenhafte Welt von 1001 Nacht versetzen, schauen wir uns die Bilder von Domenico Gnoli an, zudem seine der breiten Öffentlichkeit kaum bekannten intimen Drucke und Blätter, sodann die Malerei und Büsten aus der Hand von Yannicks vietnamesischstämmigen Vater, Vu Cao Dam, u.a. ein naturgetreues Portrait in Bronze des Revolutionärs Ho Chi Minh. Ein ganz besonderes Kleinod im architektonischen Ambiente ist die filigran ornamentierte, polychrome Kuppelverkleidung im spätislamischen Mudejar-Stil auf der maurisch beherrschten iberischen Halbinsel.

Dass die Sammellust und Entdeckerneugier für Yannick und Ben nie ein Ende haben, bekräftigen sie durch ihre allerjüngsten Ankäufe: Ein umfangreiches Ensemble zeitgenössischer Werke afrikanischer Künstler mit dem Schwerpunkt einer verblüffenden agilen Szene im marokkanischen Essaouira. Sonderlich nationale oder regionale Signifikanz ist nicht auszumachen, was wir auch nicht erwarten, es sei denn, ein paar folkloristische Einsprengsel und Vertrautheit mit der traditionellen Ornamentkultur ließen auf die Örtlichkeit schließen, wo die Bilder entstehen. Erfahrungsgemäß sind Künstler längst weltweit verzahnt und nehmen teil am grenzenlos obwaltenden Zeitgeist. Das ist in diesem Falle nicht anders. Was gefällt, ist die malerische Qualität, die mit Gewissheit Yannick und Ben zum Erwerb animiert hat, und die, wie wir hören, im New Yorker Kunstbetrieb inzwischen gut honoriert wird.
Afrikanische Kunst im Hassan-Fathy-Haus mit antiken Holzdecken
Für Yannick und Ben ist ihre sprichwörtliche Gastlichkeit eine Herzensangelegenheit. Sie wird uns erneut zuteil bei einem ausgewählten Lunch, zubereitet durch einen eigens für diesen Tag engagierten Koch. Ich benote amüsiert: „Drei Sterne,“ Ben steigert: „Fünf Sterne!“ Die Menüfolge erspare ich mir zu erläutern. Was im Gedächtnis ganz besonders haften bleibt, sind die verschiedenen nach raffinierten Rezepturen, mittels exotischer Ingredienzen hingezauberten Geschmacksschmeichler, diese auch ästhetisch wunderbar anzuschauenden Miniaturgerichte, amuse gueules, Labsal für Leib und Gaumen, vergleichbar jener  Wirkung von Haiku-Poemen auf Geist und Seele. 
Vom schattigen Terrassenpavillon haben wir einen weiten Blick aufs Meer sowie auf Flora und Brunnenanlage des Innenhofs, der bei mir Assoziationen  an Granadas Generalife, an damaszener, ägyptische, iranische oder  maghrebinische Atrien weckt, zumal Haus und Umraum der Entwurf des ägyptischen Architekten Hassam Fathy sind. Grundsteinlegung war 1978.
Das Anwesen Sa Bassa Blanca in einem Natur-Reservat auf der Halbinsel La Victoria
„Ich habe ein Leben lang dazu gebraucht, wieder zeichnen zu lernen wie ein Kind“, bekannte Pablo Picasso. Wir verlassen Yannicks und Bens Garten der Freude um bleibende Eindrücke bereichert wie Kinder, die von einem Spielplatz erfüllt heimkehren. Der Garten der Freude, eine Symbiose aus Natur- und Kunstschönem, ein noch lange nicht abgeschlossenes Lebenswerk von zwei Künstlern ist ein Geschenk an all jene, die ihr Kindsein im Sinne von Schiller oder Picasso nicht verlernt haben oder neu erlernen, erleben möchten.
                            Werner Krüger




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