Der Kunstkritiker Werner Krüger erzählt in
seinem hier abgedruckten Essay lebhaft von seinem Besuch im Museum Sa Bassa Blanca im Juni. Er ist seit
vielen Jahren mit Yannick und Ben Jakober befreundet und hat der Stiftung einen
Teil seiner persönlichen Sammlung überlassen, darunter fotografische Porträts berühmter
Persönlichkeiten, die im Museum ausgestellt sind.
Der Garten der Freude
Nachdem
wir die gitterne Pforte passiert haben, beginnt eine abwechslungsreiche
Zufahrt, die sodann beim anschließenden Rundgang ein Füllhorn berührender
Eindrücke noch um ein Mehrfaches übertrifft. Den Weg säumen getrimmte Hecken und
Sträucher, die Pinien sind von dürrem Geäst befreit, der Boden aus Vorbeugung
gegen Brandgefahr von Gestrüpp gesäubert. Unübersehbar die Hege und Pflege
durch Gärtnerhand und die darüber obwaltende Sorgfalt und Gestaltungsgabe von
Stifterin und Stifter, von Yannick und Ben.
Mein letzter Besuch liegt lange zurück. Umso gespannter sind wir, Edmund und ich, was uns erwartet, zumal Ben eine Reihe von Neuzugängen angekündigt hat, was nicht verwundert, weil dieses Projekt auf ständiger Veränderung und Erweiterung beruht. Ben empfängt uns gut gelaunt und unternehmungslustig, eben so wie wir ihn seit fast 30 Jahren kennen. Er führt uns zunächst zum Herzstück der Stiftung, zu Yannicks weltweit einmaliger Kollektion von Kinder- und Jugendportraits aus europäischen Herrscherhäusern, fünf Jahrhunderte Malereigeschichte, niedergelegt an einem vermeintlichen Randthema, aber bei vertieftem Hinschauen erschließen sich die Exponate als Inkunabeln aus Meisterhand, ausgeführt von Ziselierern ihres Metiers. Der royale Nachwuchs posiert im Habitus von Erwachsenen, wirkt zuweilen etwas frühreif und allzu ernst, so als würde die auf ihn zukommende Bürde künftiger Verantwortung und Machtausübung schon jetzt belasten.
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| Ausstellung "Nins" im Museum Sa Bassa Blanca |
Der
Bequemlichkeit halber benutzen wir im folgenden ein Golfcart, das Ben
eigenhändig über den Parcours lenkt. Wir kommen uns vor wie auf einer Safari:
Zu Beginn ein bronzener Elefant des bekannten britischen Skulpteurs Barry
Flanagan, hinzugekommen in jüngster Zeit. Entlang des Wegs verharren inmitten
von Baum und Strauch, in Stein gemeißelte Figuren aus der afrikanischen Fauna.
Frisch erworben ein lebensgroßes Nashorn aus dunklem Granit, dort die
Simulation eines aufgeschreckten Steinbocks, dann wiederum ein Sprung
rehverwandter Geschöpfe mit markanten Lauschern. Mir geht Friedrich Schillers
Zeile durch den Kopf, „der Mensch ist nur da Mensch, wo er spielt“ – spielen
mit Ideen, mit Vorstellungen, mit Phantasien, mit Bildern, dies im Bewusstsein
und Genuss unbeschränkter Freiheit.
Ja, Yannick und Ben lassen in spürbarer
kindlicher Unbekümmertheit, mit Vergnügen, Fröhlichkeit und Ausgelassenheit ihrer
Kreativität freien Lauf, um ihren Garten der Freude zu beleben, auszustatten
und zu bestellen. Sie haben selbst ihre größte Freude daran und möchten sie mit
anderen teilen. So empfinde ich meine Begegnung mit dem Gesamtkunstwerk, das
Natur und Menschenwerk zwanglos miteinander verbindet, das unter vergleichbaren
Gründungen in Europa und Übersee durch Unaufdringlichkeit und Leichtigkeit
seines Seins hervorsticht. Der Faden von den Kinderportraits drinnen wird zu
den Außenobjekten folgegerecht weitergesponnen. Der Besucher bewegt sich
heiteren Gemüts durch die Anlage.
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| Lebensecht wirkendes Nashorn aus Granit im Skulpturenpark Sa Bassa Blanca |
Fast
unvermittelt, dann aber doch ein Pfahl im Fleische, in Gestalt eines
afrikanischen Kralsbaus, im weitesten Sinne auch eines apulischen Trullis aus
aufgeschichtetem Felsgestein. Der Rundbau ist durch eine schlitzartige Öffnung
begehbar, gewährt einen Blick auf ein Inneres von bunter Vielfalt. Die
dekorative Wandbespannung mit dem programmatischen Titel „Shrine“ besteht aus
zusammengelesenem Kunststoffmüll, aufgesammelt von der fünfköpfigen
marokkanischen Künstlergruppe Z’Bel Manifesto, geklebt und montiert zu einer monströsen
Kollage, in deren Zentrum auf Augenhöhe ein Spiegel platziert ist. Mit Bedacht:
Jeden, der hineinschaut, der sich hier umschaut, müssen Scham und Schande
erschüttern, da wir es sind, die diese, unsere Verpackungsabfälle, farbenfrohe
polyethylene Gebrauchs- und Verbrauchsplastik bedenkenlos und fernab - in
Afrika oder, noch abwegiger auf den Phillippinen - verklappen.
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| The Shrine: Installation der marokkanischen Künstlergruppe Z’Bel Manifesto |
Ben
steuert im Kreisrund angeordnete übermannshohe Monolithen an, eindeutig eine
Bezugnahme auf Englands Stonehenge im strahlenden Lichte Mallorcas, erdacht von
den beiden Konzeptkünstlern Yannick Vu und Ben Jakober, deren referentielle
Kunstwerke im gesamten Gelände platziert sind, um mit den übrigen Objekten zu
korrespondieren. Darunter etwa ein aufgerichteter gigantischer steinerner
Oktopus, ein kompaktes Riesenei oder die Formation von Keramikkrügen,
verstanden als „Tribut to Majorell“, womit eine Brücke zu Jacques Majorells
Garten im marokkanischen Marrakesch geschlagen wird. Die schlanken langhalsigen
Behälter, eingefärbt nach Majorells Palette in Gelb, Rot und Blau, bevölkern
das Flachdach einer weiträumigen „Katakombe“, zu der eine Treppe in
Eisensteinschen Ausmaßen hinabführt.
Wir betreten die Halle „Sokrates“, benannt
nach dem griechischen Philosophen, dessen Namenszüge an der Giebelwand den Bau
firmieren. Aus Gründen des Natur- und Landschaftsschutzes sind sowohl das
Museum für die Kinderportraits als auch „Sokrates“ diskret tief in die Erde
versenkt worden. Wertvolle Kunst domiziliert unterirdisch. In der
„Sokrates“-Halle wird der Bogen von der Paläontologie bis in die Gegenwart
gespannt, vom urzeitlichen Dino-Gerippe, über afrikanische Masken, ein aus
Farnwurzeln modelliertes Totem, sodann peruanische Keramik in schlanken
Vitrinen bis hin zu Leinwänden von Miquel Barcelo oder Gerhard Merz, wiederum
eingefügt Skulpturen von Yannick und Ben. Gleichsam wie seinen persönlichen
Geheimtipp eröffnet uns Ben eine früh datierte azurblaue Installation des
amerikanischen Lichtkünstlers James Turrell, eingerichtet in einem verdunkelten
separaten Kubus.
All
dem liegt generell zugrunde: Die Disposition, Struktur und Zusammenstellung des
Sammlungskonvoluts nicht dem Zufall zu überlassen, sondern, gezielt
paraphrasierend Bezüge zum sokratischen Ideen- und Gedankenkosmos anzubieten.
Jedenfalls so verstehe ich die symbolträchtige Namenswahl für die Halle samt
ihrer Schaustücke. Die Stille und Abgeschiedenheit der Örtlichkeit beflügeln
geradezu, dem entspannt, ja meditativ nachzuspüren.
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| Keramikkrüge in den Farben von Jacques Majorell vor mallorquinischer Bergkulisse |
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| Unterirdische Sokrates-Halle mit zeitgenössischer internationaler Kunst |
Zurück
zum Haus durchqueren wir zu Fuß Yannicks Gewürz-, Gemüse- und Rosengärten –
Gartenkultur par excellence. Ordnung, Plan, Konzept sind nicht zu übersehen,
also kurzum: es handelt sich um Land-art mit Nutzeffekt. Ich stelle mir vor,
selbst wenn dies pathetisch klingen mag, wie schmerzhaft es für Yannick sein
muss, nach üppig gediehenem Wachstum das Gemüse bei Reife abzuernten, immerhin
besitzt jede Züchtung, verfügen jede Pflanzung und jeder Lattentrog der Hochbeete
über Schönheit und Gestalt eines trompe-l´oeil-Gemäldes, denen man langes
Überdauern wünschen möchte. Für die Blütenpracht ihres legendären Rosengartens
kommen wir zu spät, die Saison ist vorüber.
Im
Haus, dessen Äußeres und Inneres mich immer wieder aufs Neue in die
märchenhafte Welt von 1001 Nacht versetzen, schauen wir uns die Bilder von
Domenico Gnoli an, zudem seine der breiten Öffentlichkeit kaum bekannten
intimen Drucke und Blätter, sodann die Malerei und Büsten aus der Hand von
Yannicks vietnamesischstämmigen Vater, Vu Cao Dam, u.a. ein naturgetreues Portrait
in Bronze des Revolutionärs Ho Chi Minh. Ein ganz besonderes Kleinod im
architektonischen Ambiente ist die filigran ornamentierte, polychrome
Kuppelverkleidung im spätislamischen Mudejar-Stil auf der maurisch beherrschten
iberischen Halbinsel.
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| Der von Yannick Vu angelegte mittelalterliche Garten mit Gemüse, Kräutern, Blumen |
Dass
die Sammellust und Entdeckerneugier für Yannick und Ben nie ein Ende haben,
bekräftigen sie durch ihre allerjüngsten Ankäufe: Ein umfangreiches Ensemble
zeitgenössischer Werke afrikanischer Künstler mit dem Schwerpunkt einer verblüffenden
agilen Szene im marokkanischen Essaouira. Sonderlich nationale oder regionale
Signifikanz ist nicht auszumachen, was wir auch nicht erwarten, es sei denn,
ein paar folkloristische Einsprengsel und Vertrautheit mit der traditionellen
Ornamentkultur ließen auf die Örtlichkeit schließen, wo die Bilder entstehen.
Erfahrungsgemäß sind Künstler längst weltweit verzahnt und nehmen teil am
grenzenlos obwaltenden Zeitgeist. Das ist in diesem Falle nicht anders. Was
gefällt, ist die malerische Qualität, die mit Gewissheit Yannick und Ben zum
Erwerb animiert hat, und die, wie wir hören, im New Yorker Kunstbetrieb
inzwischen gut honoriert wird.
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| Afrikanische Kunst im Hassan-Fathy-Haus mit antiken Holzdecken |
Vom
schattigen Terrassenpavillon haben wir einen weiten Blick aufs Meer sowie auf
Flora und Brunnenanlage des Innenhofs, der bei mir Assoziationen an Granadas Generalife, an damaszener,
ägyptische, iranische oder
maghrebinische Atrien weckt, zumal Haus und Umraum der Entwurf des
ägyptischen Architekten Hassam Fathy sind. Grundsteinlegung war 1978.
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| Das Anwesen Sa Bassa Blanca in einem Natur-Reservat auf der Halbinsel La Victoria |
„Ich
habe ein Leben lang dazu gebraucht, wieder zeichnen zu lernen wie ein Kind“,
bekannte Pablo Picasso. Wir verlassen Yannicks und Bens Garten der Freude um
bleibende Eindrücke bereichert wie Kinder, die von einem Spielplatz erfüllt
heimkehren. Der Garten der Freude, eine Symbiose aus Natur- und Kunstschönem,
ein noch lange nicht abgeschlossenes Lebenswerk von zwei Künstlern ist ein
Geschenk an all jene, die ihr Kindsein im Sinne von Schiller oder Picasso nicht
verlernt haben oder neu erlernen, erleben möchten.
Werner Krüger









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